Was ist Lutherisch?
Die lutherische evangelische Kirche steht in der Tradition der Fragen, die der Augustinermönch Martin Luther an sich, das Leben und Gott stellte:
Wie kann der Mensch in seiner Schwachheit und Unvollkommenheit der Macht begegnen, die das Universum erschaffen hat?
Luthers Antwort, die er in einem langen Kampf mit sich und seiner Kirche fand, ist einfach und tröstlich:
Gott hat sich den Menschen in Jesus von Nazareth genähert, um ihnen seine bedingungslose Liebe zu zeigen. Der Mensch muss keine Leistungen mehr erbringen, um diese Liebe anzunehmen. Er kann sie annehmen wie ein Geschenk.
Und um etwas über Gott zu erfahren, muss sich der Mensch die Person Jesu ansehen, wie er in den Evangelien beschrieben wird. Der Wander-prediger wirkte um das Jahr 30 herum drei Jahre lang im antiken Israel, erzählte vom Reich Gottes, heilte Kranke und wurde schließlich von der römischen Besatzungsmacht hingerichtet. Christen glauben, dass sich Gott in diesem Menschen gezeigt hat, und dass er durch seinen Tod am Kreuz die Verbindung zwischen Gott und Mensch wiederhergestellt hat. Und mehr noch: die Evangelien berichten davon, dass Jesus zwei Tage nach seinem Tod wieder lebendig war und der Macht der Vergänglichkeit nun nicht mehr unterworfen ist. Deshalb trauen Christen diesem Jesus, der schon Jahrhunderte vorher in den jüdischen Schriften als Messias (griechisch christos) angekündigt wird, alles zu. Er ist das Zentrum ihres Glaubens.
Und Glaube heißt, sich diesem Christus anzuvertrauen, und darin Gottes Liebesgeschenk anzunehmen.
Die Basis für den Glauben sind die Schriften der Bibel, in der Menschen erzählen, wie Gott unter Menschen wirkt und was sie mit ihm erlebt haben. Martin Luther hat in der intensiven Lektüre der Bibel wiederentdeckt, was in der Geschichte von der mächtigen Institution Kirche vergessen wurde:
Gott begegnet dem Menschen immer ganz klein, ganz zart, ganz dezent – in der Stille, im Leid, im Einfachen.
Dies ist einer der Gründe, warum besonders die lutherischen Protestanten kirchliche Hierarchien ablehnen und ihre Kirche basisdemokratisch organisieren.
Ein wesentliches Element im Leben ist der Gottesdienst. Der lutherische Gottesdienst ist stark liturgisch geprägt, d. h. in einem festen Ablauf wechseln sich Lieder, Musik, Gebete, Textlesungen, die Predigt und die Feier des Abendmahls ab. Im Alltag kann jeder Christ im Gebet, dem Lesen der Bibel und der Stille vor Gott Kontakt zu seinem Schöpfer aufnehmen, ohne dass es eines kirchlichen Vermittlers bedarf.
Trotz aller konfessionellen Unterschiede und Ausprägungen im Leben des Glaubens und dem Verständnis von Detailfragen des Glaubens versteht sich die evangelisch-lutherische Kirche als Teil der Gesamtheit der Christen auf dieser Welt (Ökumene).